Die Küchenpsychologie lehrt mich, dass Stefan Raab irgendeinen Komplex aufzuarbeiten hat: Alles, was ihm irgendwie gefällt, will er unbedingt auch mal machen, aber nur solange er selbst dabei im Mittelpunkt stehen kann. In der gestern zum ersten Mal ausgestrahlten „großen TV-total-Prunksitzung“ wollte Raab mit dem Thema Karneval mal wieder seinen kölschen Lokalpatriotismus zeigen, so wie er sich auch zu jeder Gelegenheit als treuer FC-Köln-Fan gibt. Das soll ihn sehr publikumsnah präsentieren, dabei dürfte er vermutlich seit zehn Jahren nicht viel mehr von Köln gesehen haben als sein Studio und das Villenviertel Hahnwald. Derart abgehoben von der plebs wirkte er bei der ganzen Veranstaltung auch nicht wie ein kölscher Jung, sondern nur wie ein Mann, der sich seinen großen Kindheitswunsch erfüllen wollte, einmal in einer Karnevalssitzung aufzutreten. Weil sein Ego es ihm aber grundsätzlich nicht erlaubt, in Shows aufzutreten, die nicht von ihm selbst stammen, kaufte er sich kurzerhand seine eigene Sitzung.
Man konnte Raab die ganze Sitzung über anmerken, dass er auch gerne ein Teil der Kölner Kultur wäre. Zum einen wäre da sein aufgesetztes Kölsch, das aber nicht mal über Immi-Niveau herausgeht. Dann wären da noch seine zwei selbstgeschriebenen kölschen Lieder, die er jedoch, da ihm jegliche street credibility abgeht, zusammen mit den Höhnern vorspielte, die in Köln als äußerst true gelten. Trotzdem ließen Raabs Stimme und mangelndes Kompositionstalent keinerlei Flair aufkommen. Ebenso wenig wie die Nummer mit seinem Kollegen Alexander Duszat alias „Elton“, die vermutlich an das Colonia-Duett angelehnt war, nur dass statt Hans Süper er selbst die Ukulele klingen ließ. Der Sketch wirkte wie mit heißer Nadel gestrickt und baute auch nur auf einer einzigen Pointe auf, da habe ich bei jeder „Du-Ei!“-Wiederholung mehr gelacht.
Es gab aber erfreulicherweise auch einige Lichtblicke: Raabs Büttenrede, die aus seinen bekannten Video-Samples zusammengebastelt war, war wirklich lustig und zeigte, was die frühen „TV-total“-Jahre eigentlich so unterhaltsam gemacht hatte. Auch die Auftritte von Carolin Kebekus (mit sehr viel kölscher credibility), Martin Klempnow als Robert Geiß, Lena Meyer-Landrut (die sich zum Glück nur aufs Optische konzentrierte), Helge Schneider und Bastian Pastewka als Ottmar Zittlau wussten zu überzeugen: Gerade letzterer war sehr witzig, weil er mit einem albernen Karnevalslied samt lächerlich simplem Text über die Reihenfolge der Wochentage mal eben die Primitivität herkömmlicher Karnevalslieder auf gelungene Weise parodierte. Außerdem traten neben den Höhnern auch noch die Brings auf. Wenn man einmal davon absieht, dass die meisten ihrer Hits auf immer derselben Akkordfolge basieren (vi-ii-V-I…), war der Auftritt okay wie immer, man könnte „routiniert“ dazu sagen.
Dann war dort neben Licht aber auch noch viel Schatten, sofern man auf gute Fernsehunterhaltung aus war und deshalb nicht den deutlich niedrigeren Maßstab für Karnevalssitzungen anlegte. Da wäre der Ruhrpottler Markus Krebs, der einfach aus dem Internet und alten Witzebüchern herausgeschriebene Gags der Reihe nach vorlas. Einige davon waren zwar nicht schlecht, die Präsentation ließ allerdings zu wünschen übrig. Dann waren da noch die meist deplaziert wirkenden Mundstuhl mit ihrem pointenarmen Haudrauf-Humor, der mittlerweile als Fußballparodist etablierte Matze Knop, den ich persönlich völlig uninteressant finde, und zu allem Überfluss auch noch Dave Davis. Zu dessen Auftritt kann ich nicht viel schreiben, weil ich immer reflexhaft wegschalte, wenn er wieder einmal irgendwo mit seiner Klischeefigur des schwarzen Toilettenputzers auftritt, so auch dieses Mal. Warum müssen deutsche Komiker mit Migrationshintergrund ihre Bühnenfiguren fast immer auf Stereotypen aufbauen? Ist es bekömmlicher für das deutsche Publikum, sich in Vorteilen mehr bestätigt zu sehen als sie zu hinterfragen? Dabei könnte Dave Davis es doch viel besser, wie er beispielsweise bei der kurzlebigen „Wochenshow“-Neuauflage gezeigt hat.
Am Ende bleibt als Fazit doch nur ein weiteres Raab-Selbstbeweihräucherungsprojekt, das seine Fans unter den Feuilletonisten auf ihrer „dieser-Raab-kann-einfach-alles“-Liste verbuchen können. Leider ist die Veranstaltung aber nicht wegen, sondern trotz Raab doch noch unterhaltsamer ausgefallen als richtige Karnevalssitzungen. Er hätte sich vielleicht ein Beispiel an Cro nehmen sollen, der als prominenter Gast eingeladen war und während der gesamten Sendung im Hintergrund saß und absolut gar nichts machte.