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Dudelfunk V

„Farblose grüne Ideen schlafen zornig.“ Ein Satz, der völlig unsinnig ist, und nicht einmal durch Vortäuschen einer metaphorischen Bedeutung gerettet werden kann. Ein ähnlich dämlicher Satz schwirrt seit geraumer Zeit tag-täglich durchs Radioprogramm von 1 Live und lautet: „Liebe ist meine Rebellion.“ So heißt der neue Song der schlageresken Popgruppe Frida Gold, in den die Plattenfirma Warner Music anscheinend große Hoffnungen setzt und daher wohl in viel Airplay investiert.

Zur Sicherheit singt die Frontfrau der Band den Songtitel auch mehrfach auf englisch: „Love is my rebellion.“ Inwiefern eigentlich? Oder auch: wogegen? Das wird nicht beantwortet, wahrscheinlich klingt das Wort Rebellion einfach nur so schön edgy und spricht ebensolche Hörer an… eventuell. Wie könnte man daraus jetzt also einen Radiohit basteln? Nichts einfacher als das: Man „übernimmt“ einfach den Refrain eines älteren erfolgreichen Songs, der in den Ohren nicht mehr so gegenwärtig ist („Freed from Desire“, 1996) und legt einen „tanzbaren“ Disco-Beat mit schön Bumm-Bumm darunter. Das Ganze wird dann garniert mit einem schmalzigen Streichorchester, das in der Bridge für den entsprechenden Pathos sorgt. Fertig ist der Fließbandhit der 2010er Jahre.

Um zu unterstreichen, dass der Songtitel doch irgendwas zu bedeuten hat, produziert man dann am Besten noch ein Musikvideo, das pseudo-künstlerisch wirkt (natürlich schwarz-weiß) und die Sängerin trotzdem in aufreizenden Klamotten und Posen zeigt. (Die männlichen Zuschauer wollen ja auch was davon haben.) Das verspricht viele Klicks und Likes und wahrscheinlich auch irgendwann einen Auftritt im ZDF-Fernsehgarten, wo die Band mit ihren unoriginellen Liebestexten eigentlich gut hinpasst. Für mich persönlich hingegen bleibt als Fazit, dass ich in den letzten Monaten selten einen so nervigen Song im Radio gehört habe.

Überzeugen Sie sich selbst:

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Dudelfunk III

Das neueste Lied, das mir in der Heavy Rotation von 1 Live schon nach dem ersten Hören auf den Sack gegangen ist, kommt überraschenderweise mal wieder aus Schweden, und nennt sich „I Follow Rivers“, obwohl ich hätte schwören können, dass irgendwie „Aa“ im Titel vorkommen müsste, zumal es dem Song besser gerecht werden würde. Denn auch hier handelt es sich um völlig triviale „Dance“-Musik, die man aus den späten 90er Jahren noch kennt*, als es zum Ideal der Popmusik wurde, dass drei Minuten Song mit einem konstant wiederholten Refrain gefüllt werden. Auch in diesem Fall hat man den Eindruck, 90 % des Songs bestünden ausschließlich aus den bis zum Erbrechen wiederholten Zeilen „I, I follow, I follow you, deep sea baby, I follow you/I, I follow, I follow you, dark boom honey, I follow you.“  Bei dieser übersprudelnden Kreativität der 26jährigen Sängerin Lykke Li musste ihr Berufsweg natürlich schon vorgegeben sein, denn wie sie selbst sagt:

Für mich war es immer klar, dass ich später etwas mir [sic] Kunst machen möchte. […] Ich habe überlegt ob es Mode oder Malerei sein könnte, bis ich mich für die Musik als Ausdrucksform entschied.**

Ihre reichen Eltern bezahlten der ausgebufften Künstlerin also prompt Musikinstrumente und was sie sonst noch alles zur Selbstverwirklichung benötigte, wie zum Beispiel Weltreisen, eine Wohnung in New York und natürlich ein eigenes Plattenlabel (!). Ohne sich also erst mühevoll hochspielen zu müssen, kam für Lykke Li schnell der große Erfolg bei jungen Leuten, die sich mit ihrer „artsy“ Herangehensweise identifizieren können (also eine Teilmenge der Kategorie „Hipster“), und natürlich bei Liebhabern belangloser Dudelmusik, weshalb sie auch schon bald einen Song für einen „Twilight“-Soundtrack aufnehmen durfte. Glücklicherweise gibt es für den anspruchsvolleren Musikfreund aber mittlerweile einen Hoffnungsschimmer, denn laut Wikipedia hat die mittelmäßig begabte Schwedin neuerdings eine neue Arbeitsstelle in dem „Beruf“ gefunden, der ihr eher zu liegen scheint, nämlich dem des Models. Dort wird nämlich das zelebriert, was Frau Li sich wohl schon immer als Ziel ihrer Selbstverwirklichung gewünscht hat: mit bedeutungsvoll aufgeblasener Oberflächlichkeit ins Rampenlicht zu kommen. Hauptsache, sie macht dann auch keine Musik mehr!

„I Follow Rivers“ ist nämlich derzeit der nervigste, weil repetitivste Radiosong, der in Deutschland regelmäßig über den Äther dudelt. Lykke füllt damit eine Lücke (haha), die uns schon vor drei Jahren mit „Jungle Drum“ (Emiliana Torrini) und vor zwei Jahren mit „Hollywood“ (Marina and the Diamonds) aufgezeigt wurde: Den Sommerhit, der von einem jungen, mainstream-hübschen One-Hit-Wonder gesungen wird, welchem zu Vermarktungszwecken irgendwie die Prädikate „indie“ und „alternative“ umgehängt wurden. Irgendwie ist es aber letztendlich doch nur triviale Popmusik.

Überzeugen Sie sich selbst:

* Ich weiß, dass es sich bei dem im Radio gespielten Lied um einen Remix handelt; das Original ist aber musikalisch nur unwesentlich anspruchsvoller.

** Das Zitat stammt von dieser Seite, auf die ich natürlich über den Wikipedia-Artikel gekommen bin.

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Dudelfunk I

Da ich vormittags häufiger in den Genuss komme, Sender wie 1 Live hören zu müssen (den „Jugendsender“ des WDR), möchte ich die Gelegenheit nutzen, meinen Unmut über die heutige Popmusik per Blog in die Welt zu rotzen (denn wenn sich alle außerhalb des Mainstreams dafür zu schade sind, tut es ja gar keiner). Einer der aktuellsten Neuzugänge in die dortige Heavy-Rotation-Endlosschleife ist ein Lied namens „We Are Young“ von einer Band mit dem originellen Namen „Fun“. Das Lied ist wohl schon 2011 in den USA erschienen, vor einigen Monaten überraschenderweise auf Platz 1 der Billboard-Charts gelandet, und deswegen nun auch in Europa veröffentlicht worden. Gemessen an der praktisch stündlichen Wiederholung dieses Songs im Radio und dessen sich häufenden Verwendung als Hintergrundmusik im Privatfernsehen droht uns in Deutschland nun wohl dasselbe.

Wann immer dieser Song beginnt, steigen in mir die Aggressionen. Nicht nur, dass der Sänger den Refrain mit einer penetranten Eunuchenstimme singt und das Wort „tonight“ auf die Länge von zehn Tönen zieht; schon beim ersten Hören entsteht der Eindruck, dass der ganze Song fast ausschließlich aus dem Refrain besteht, der buchstäblich ad nauseam wiederholt wird. „Toni-i-i-i-i-i-i-ght, we are young“, heult der Sänger da gefühlte 100 mal ins Mikrofon, was allein schon albern ist, denn „Jugend“ ist ein so diffuser Zeitabschnitt, dass man ihn nicht tagesgenau definieren kann. „So let’s set the world on fire“, aber fangt bitte mit euren Instrumenten an, möchte man sagen*. Wenn man sich als Songtexter schon poetisch geben möchte, dann also bitte nicht auf Schülerniveau. Allerdings passt das wiederum gut zur hippen, „ironischen“ Partyjugend von heute, die sich dabei „gefällt mir“ denkt (oder sogar „leider geil“).

Der ganze Song ist dann auch noch so ein schmieriger und furchtbarer Stadionrock, dass man ihn auch mit der Ausrede „Satire“ nicht erträglich machen kann. Dagegen schreiben Muse richtig tolle Lieder, und auch „We Will Rock You“ macht wieder richtig Freude, wenn man vorher dieses Lied ertragen musste. Mit „We Are Young“ hat die Band „Fun“ alle möglichen Regeln für Fließband-Hits berücksichtigt: Angefangen bei der klassischen Ohrwurm-Akkordfolge F-Dm-B-C, über die großen Intervallsprünge in der Melodie (an passender Stelle natürlich mehrstimmig), bis hin zum überproduzierten, hallgetränkten Schlagzeug. In Verbindung mit einem Refraintext, der so kurz ist und so oft wiederholt wird, dass ihn sich jeder Trottel zum Mitsingen merken kann, bleibt der Song dementsprechend auch ganz sicher bei etwa 90 % der Zuhörer automatisch im Kopf hängen. Der Schmalz trieft aus jedem Takt, und die akustische Folter erreicht ihren Höhepunkt in der Bridge, die aus einer affigen Kindermelodie besteht, für die man als mündiger Hörer sofort einem Verantwortlichen eine Torte mit ebenso viel Zuckerguss ins Gesicht schmeißen möchte.

Die englischsprachige Wikipedia behauptet, „We Are Young“ bekäme „immense praise and positive commentary from major music critics and is considered a breakthrough for the indie music genre.“ Das ist natürlich kein Wunder, denn Popmusik wird schließlich auch hauptsächlich von Popmagazinen besprochen, die den immer gleichen musikalischen Müll automatisch abfeiern. An Menschen mit Musikgeschmack geht derartiges für gewöhnlich völlig vorbei, weil sie den Mainstream an sich vorübergehen lassen, aber ich bin der Meinung, dass man hier trotzdem einen Gegenpol schaffen sollte, weil sich sonst ja auch nichts ändern kann, also: Nach Meinung des kompetenten und erfahrenen Musikkritikers Roulade ist dieser Song vollständig durchgefallen und hat höchstens eine Daseinsberechtigung, um in Guantanamo die Metallica-Songs abzulösen. Und „Indie“ ist hier weder die glattpolierte und anbiedernde Musik noch das zu Warner Music gehörende Label „Fueled by Ramen“, das übrigens auch für viele dieser weinerlichen Kinder-Emo-Bands der letzten zehn Jahre verantwortlich ist. Hoffentlich zieht dieser Kelch schnell an uns vorüber!

Überzeugen Sie sich selbst:

(Und wenn das nicht geht, wählen Sie die Piratenpartei, oder machen Sie für zehn Minuten das Radio an.)

* Dabei klingt die Musik so synthetisch, dass sie eigentlich auch komplett am Rechner produziert worden sein könnte.

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