Casanovas Schwule Seite – Das Rock’n’Roll-Imperium schlägt zurück (2002)

Weil eine der besten deutschen Punkrockplatten überhaupt in diesem Jahr ihr zehnjähriges Jubiläum feiert und deswegen auch eine erstmalige Vinyl-Pressung erfahren hat, nutze ich den Dezember noch schnell, um sie auch hier kurz zu würdigen. „Das Rock’n’Roll-Imperium schlägt zurück“ ist die erste und bislang einzige Platte des vierköpfigen Kölner Kollektivs, das jeweils zur Hälfte aus Knochenfabrik- und Wohlstandskinder-Mitgliedern besteht, und erschien ursprünglich beim mittlerweile aufgelösten Qualitätslabel Vitaminepillen Records.

Die Platte klingt erwartungsgemäß nach einer Mischung aus beiden Bands: Die lyrische Extravaganz von Knochenfabrik und der rotzige Gesang verbindet sich gekonnt mit der poppigen Virtuosität der Wohlstandskinder, und heraus kommt eine Rock’n’Roll-Platte voller Hits und diskussionswürdiger Texte. Ein Blick auf die Songtitel verrät schon, wo es langeht: „Radiomoderator halt die Fresse“, „Der Kinn-Nasen-Professor“, „Gewalt ist eine Lösung“ und „Ich will Dich ficken“ sind nicht nur Ohrwürmer, sondern auch Texte, die sich angenehm vom Genre-Einheitsbrei abheben und im Eindruck im Gedächtnis hinterlassen. Hier eine kleine Kostprobe aus dem Lied „Mein Kühlschrank“:

Mein kühler Schrank verbraucht viel Strom
und gilt als Sondermüll, denn er enthält FCKW
Und irgendwann, wenn er verreckt
ja dann entsorg ich ihn gleich nebenan im Kiesloch-Baggersee

Ich habe keinen Bock auf diesen ganzen Umwelt-Scheiß
So’n bisschen Kühlschrank tut doch keinem Menschen weh
Dumme Leute finden sowas völlig asozial
doch für mich gehört so’n Kühlschrank in den See

Garniert wird das Ganze immer wieder mit raffinierten Gitarren-Solos [sic], die auch schon mal in Turbonegro-Manier ausarten und die Proleten-Attitüde, die das Album zu transportieren versucht, unterstreicht. Die ganze Platte ist eigentlich eine Parodie auf zahlreiche Punk- und Rock’n’Roll-Klischees, und dabei trotzdem auch als eigenständiges Werk so gut, dass ich sie spontan zu den besten drei Punkrock-Alben zählen würde, die in den 2000er Jahren in Deutschland erschienen sind. Nachdem „Das Rock’n’Roll-Imperium schlägt zurück“ ursprünglich ausschließlich auf CD erschienen war, hat das Aachener Label Rockstar Records das Ganze nun zur Feier des Tages erstmals auf LP (mit neuem Cover) herausgebracht, und das völlig zurecht!

Überzeugen Sie sich selbst:

Ein Kommentar

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Eine Antwort zu “Casanovas Schwule Seite – Das Rock’n’Roll-Imperium schlägt zurück (2002)

  1. Den Song „Ich will dich ficken“ habe ich rgendwann mal irgendwo gehört. Und mich immer wieder gefragt wer zur Hölle das jetzt ist. Hat sich irgendwie eingebrannt. Hatte schon auf Muff Potter getippt. Aber jetzt weiss ich Bescheid. Also, danke dafür.

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